Vor einige Tagen habe ich Gerdi wieder aufs Boot geholt. Weil sie den langen Trip von Bali bis zur Südwestküste Javas (600 sm, acht Tage und Nächte) nicht mitmachen wollte, ist sie eine Woche länger auf Bali geblieben und dann mit Bahn, Bus und Taxi zur Südwestküste nachgekommen. Die Kommunikation über Internet/WhatsApp erleichterte die Familienzusammenführung enorm. Wir haben uns beide die hier sehr preiswerten indonesischen SIM Cards in die Smartphones gesteckt. Wir konnten aber nur kommunizieren, wenn ich in Küstennähe gesegelt bin. Das war nicht immer der Fall und wir hatten mehrere Tage keine Verbindung. An der Küste gab es wenig Wind, weswegen ich mit 5 – 20 sm Abstand weiter südlich daran entlang gesegelt bin und dann keine Netzverbindung mehr hatte.
Es gab noch einen anderen Grund Abstand zur Küste zu halten, nämlich die FADs (Fish Aggregating Devices), trickreiche indonesische Fischfanganlagen. Vor denen wurde ich schon zuvor im Internet gewarnt. Segler sollten besonders Nachts aufpassen, weil diese schwer zu sehen seien. Ich hatte diese Anlagen aber nur in direkter Küstennähe erwartet, und nicht im Abstand von 4 oder 10 sm.
Es ist in ganz Indonesien verboten mit Schleppnetzen zu fischen. Deswegen haben die smarten Fischer diese Art des Fangens erfunden: Sie errichten aus Bambus schwimmende Plattformen auf dem Wasser und vertauen Sie über Mooringleinen auf dem Meeresgrund. Unter denen hängen sie Netze, die sie in gewissen Abständen hochziehen oder hochkurbeln. Diese Art des Fischens ist legal, weil sie ja keine Netze hinter dem Boot herziehen. Gefischt wird IMNER NUR NACHTS. Auf den Plattformen sind kräftige Scheinwerfer (Generator betrieben) installiert die nach unten gerichtet aufs Wasser strahlen um die Fische anzulocken.
Diese Fischfangplattformen hätten beinah meine Weltumsegelung beendet. Wie das?! In der Nacht zum 29.07. segelte ich allein im Abstand von 10 sm an der Südküste Javas entlang. Ich hatte super guten Wind und machte ca. 6 kn Fahrt. Nachdem ich fünf Tage und fünf Nächte allein unterwegs war, war ich mental platt durch den Schlafdefizit. Ich hatte meine Wecker auf dem iPhone so aktiviert, dass ich alle zwei Stunden geweckt wurde. Alle zwei Stunden stand ich somit auf, ging an Deck, suchte den Horizont nach Schiffen ab, checkte und korrigierte den Kurs auf dem Autopiloten und legte mich wieder schlafen. In dieser Nacht wurde ich kurz vor zwei Uhr (um zwei hätte mein iPhone gerappelt, ich war also knapp zwei Stunden „blind“/schlafend unterwegs) von Motorengeräuschen geweckt. Das Wissen, dass es nicht von meinem Motor kam, katapultierte mich aus der Koje und ich stürmte in einem Mix aus schlaftrunken und hellwach den Niedergang hoch. In ca. 15 m Abstand vor mir sehe ich ein Fischerboot meinen Weg kreuzen, helle gelbe Scheinwerfer auf mich gerichtet.
Ich konnte in dieser Schrecksekunde nicht abschätzen ob es vom Abstand her reicht und er vor mir durchfährt oder ob wir zusammenstoßenden. Deswegen riss ich schnell das Ruder nach rechts. Dabei viel mir auf, dass ich gar keine Hose anhatte und mit nacktem Arsch im Cockpit stand, hell angestrahlt von den Lichtern des Fischerbootes, bestückt mit einigen, vermutlich überprüden muslimen Fischern. Ich drückte schnell den Autopilotknopf um das Ruder zu arretieren und sprang nach unten um meine Unterhose zu suchen. Ich also in die Hose gesprungen und dann wieder aufs Deck. Der Abstand zum Fischerboot war groß genug. Wir hatten keine Berührung. Doch was ich dann sah haute mich um und für wenige Sekunden konnte ich nicht einordnen was ich da sah: Ich war umzingelt von Lichtern, 360° um mich herum, in unterschiedlichen Entfernungen. Ich dachte für den Bruchteil einer Sekunde ich hätte mich verfahren und wäre in irgendeine geschlossene Bucht gelandet, bis ich merkte, dass nur wenige der Lichter von Booten kamen. Die Mehrheit kam von den Fischfangplattformen.
Die Plattformen waren zwar alle von Fischern besetzt, aber die FADs sind am Meeresboden verankert und hätten mir nicht ausweichen können. Als ich, nachdem es hell wurde, durch ein zweites Feld von FADs segelte, und fünf oder sechs mal meinen Kurs ändern musste, um nicht eine davon platt zu fahren, war mir klar, dass ich Stunden zuvor wieder einmal an einer Katastrophe vorbei geschliddert bin, als ich – in der Koje schlafend, unter Autopilot – MITTEN DURCH EIN FELD von diesen FADs gesegelt bin.
Ich bin auf der Strecke nach meiner Schätzung an weit über 300 FADs UNGESCHADET vorbei gesegelt. Keine davon zu rammen, kommt von der Wahrscheinlichkeit her einem 6er Gewinn im Lotto gleich. Nun – ich hab meine Erklärung dafür. Ich weiß nicht, ob ihr das als Glück oder Zufall einstuft? Ich glaube, es hat mir in der Nacht als ich schlief wieder mehrmals jemand ins Steuer gegriffen. Und ich bin mir sicher, es war nicht der Klabautermann.